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"Afrikanische Riesenschnecke zwingt eine ganze Stadt in Quarantäne" - ein Kommentar


"Afrikanische Riesenschnecke zwingt eine ganze Stadt in Quarantäne" - titelt aktuell ein großer deutscher Privatfernsehsender. Dabei steht noch: "Weichtiere können Hirnhautentzündung auslösen". Dass Lissachatina fulica zu den invasivsten Tierarten weltweit gehört, ist längst nichts Neues. Doch was genau hat es nun mit der betitelten Quarantäne auf sich? Sind unsere Haustiere gefährlich?




Um diesen brennenden Fragen auf den Grund zu gehen, machen wir zuerst einen Schritt zurück. L. fulica tauchte in Florida zum ersten Mal in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts auf. Man erzählt sich, dass ein Junge drei Schnecken aus dem Hawaii-Urlaub nach Miami mitbrachte. Als seine Großmutter der Schnecken überdrüssig wurde, setzte diese jene im Garten aus und schnell wurden aus drei Schnecken mehrere tausend. Damals investierte Florida zur Eindämmung der Plage mehr als eine Millionen Dollar und so wurden bis 1973 mehr als 18 000 Schnecken und unzählige Gelege vernichtet. 1975 wurde L. fulica in Florida schließlich für ausgerottet erklärt.

Über 30 Jahre lang ging der Kelch der Plage an Florida vorbei - bis L. fulica im September 2011 erneut in Miami auftauchte. Woher diese Schnecken stammen, bleibt ungeklärt. Zwischen 2011 und 2021 wurden weitere 23 Millionen Dollar in ein üppiges Eindämmungsprogramm investiert. Im Rahmen dieses Projektes wurden schließlich mehr als 168 000 Schnecken und zahllose Gelege beseitigt.

Entscheidender Teil der Eindämmung bestand in umfangreichen Quarantänemaßnahmen. Diese umschlossen das gesamte Miami-Dade County und das angrenzende Broward County. Das Quarantänegebiet umfasste zwischen 2011 und 2021 dementsprechend knapp 10 000 km². Durch die immer noch andauernde Corona-Pandemie sind wir alle für Worte wie "Quarantäne" oder auch "Entzündung" ganz besonders sensibilisiert. Heißt das also, unsere Schnecken könnten uns alle in Quarantäne zwingen? So wie in den USA?

Das genaue Vorgehen zur Eindämmung von invasiven Schädlingen ist in den USA im sogenannten "Plant Protection Act" geregelt, welches im Jahre 2000 verabschiedet wurde. Es erlaubt die Einrichtung von Quarantänebereichen aus denen weder Substrat, Pflanzen, noch Pflanzenteile, noch deren Erzeugnisse exportiert werden dürfen. Diese Isolierungsmaßnahme betrifft also lediglich den landwirtschaftlichen Sektor und dient in erster Linie zur Verhinderung der Ausbreitung der Plage! Auf die Bewegungsfreiheit von Menschen haben die ausgerufenen Quarantänemaßnahmen ergo überhaupt keinen Einfluss.

Alle Maßnahmen wurden schließlich im September 2021 aufgehoben, da man davon ausging dass die Plage erfolgreich bekämpft werden konnte. In Deutschland werden übrigens zur Bekämpfung von Schädlingsbefall oder auch Tierseuchen ganz ähnliche Verfahren angewandt. Dazu zählen beispielsweise die Eindämmung der Schweinpest, Vogelgrippe oder auch der Faulbrutkrankheit bei Honigbienen.

Die im obigen Artikel erwähnten Schnecken wurden im Juni 2022 in einer Stadt namens New Port Richey, Florida entdeckt (nicht Port Richey wie im Artikel). Der Quarantänebereich beschränkt sich aktuell auf das Stadtgebiet und umfasst knapp 12 km². Dass zwischen 2011 und 2021 für 10 Jahre ein Quarantänebereich von über 10 000 km² bestand, ist scheinbar nicht nur vollkommen unwichtig zu erwähnen, sondern wird im Hinblick auf möglichst viele Klicks wahrscheinlich sogar gerne vollkommen vergessen.


Doch damit noch nicht alles. Was genau hat nun der Absatz "Weichtiere können Hirnhautentzündung auslösen" mit der ganzen Quarantäne zutun? Ich erspare euch das Nachschlagen im Artikel und verrate es euch direkt: Rein gar nichts! Denn schaut man sich den Artikel mal genau an, wird deutlich dass die Auslösung von Hirnhautentzündung und die Ausrufung einer Quarantäne in keinem ursächlichem Zusammenhang stehen. Ergo das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zutun!

Gerne werden Schlagzeilen wie "Achatschnecken lösen Hirnhautentzündung aus!" eingesetzt, um möglichst viele Klicks zu generieren. Fakt ist, dass es genau betrachtet nicht die Schnecke selbst ist die Hirnhautentzündung auslöst, sondern ein Parasit mit dem die Schnecke befallen sein kann. Dabei handelt es sich um den Ratten-Lungenwurm (Angiostrongylus cantonensis). Obwohl es von den Medien immer wieder als vollkommen neu verkauft wird, ist der Umstand dass Achatschnecken mit diesem Parasiten befallen sein können, schon sehr, sehr, sehr lange bekannt. So bekannt, dass er für bestimmte Studien sogar als Markerorganismus etabliert ist.

In der Natur kommt ein Befall durch diesen Parasiten bei Achatschnecken durchaus vor. Eine Übertragung findet durch den Verzehr von rohen Schnecken statt. Genaue Statistiken über Erkrankungen oder auch Todesfälle gibt es nicht. Schaut man durch die Medien stößt man auf drei Personen aus Brasilien, die durch den verzehr roher Schnecken infiziert wurden und anschließend starben. Zum Vergleich: Alleine in Deutschland sterben nachgewiesenermaßen jährlich fast vier Menschen an Hundebissen, 338 000 Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, 239 600 an Krebs und 61 300 an Erkrankungen des Atmungssystem. Aktuell sind uns (=AchatSchnecken-Team) in Deutschland weder bestätigte Infektionen/Todesfälle bekannt, noch welche die über den Buschfunk verbreitet werden.

Solange ihr also keine Mutprobe plant, im Zuge dessen jemand eine rohe Schnecke verspeisen soll, ist jederlei Sorge unbegründet.


Fazit: Mal wieder viel Clickbait um nichts!



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